Noch ist der wahre Grund für das erotische Treffen zwischen Juliette und Pierre nicht offenbart. In der „Achterbahn“ haben sich Susanne Schäfer und Peter Bongartz, der bereits mit „Eheverbrechen“ an der Seite von Leonore Weisgerber in Berleburg zu sehen war, mit Wortgewalt nichts geschenkt.

Bad Berleburg. (cw) Es geschieht täglich tausendfach rund um den Globus: Männer und Frauen lernen sich in irgendwelchen Bars oder öffentlichen Plätzen kennen. Mit einem Lächeln sind sie sich sympathisch und landen kurze Zeit nach den ersten Blickkontakten und minimalen verbalen Austauschen in den Federn. Neusprachlich nennt sich das Ganze "blind date".

Ähnlich ergeht es Juliette (Susanne Schäfer) und Pierre (Peter Bongartz) in der Komödie "Achterbahn", einer Produktion der "Komödie im Bayrischen Hof, München", bei der Aufführung im Berleburger Bürgerhaus. Vor voll besetztem Haus finden sich die beiden Darsteller in seiner grauen, eher nüchtern gestalteten Wohnung wieder. Leicht angeheitert starten sie in ein Verwirrspiel nach Art "Katz und Maus". Wer ist wer und was will wer von wem? Fragen über Fragen.
Mit übertriebener weiblicher Wissbegier entlockt Juliette ihrem ergrauten Gastgeber privateste und intimste Geheimnisse, kommt schließlich dahinter, dass der zunächst scheinbar als Single lebende Herr, tatsächlich ein biederer Ehemann ist, Vater eines nicht süßen, aber schönen erwachsenen Sohnes und derzeit als Strohwitwer sein Dasein genießt.
Pierre verstrickt sich in dubiose Ausflüchte, meidet die Offenbarung seiner Zuneigung zur Ehefrau und bagatellisiert sein vermeintliches sexuelles Abenteuer mit Juliette. Ja, Liebe zur Ehefrau ist auf jeden Fall vorhanden, nur - die Aufmerksamkeit gegenüber der Ehepartnerin zählt, nicht die Treue.
In diesem Punkt rechnet Pierre nicht mit der Schlagfertigkeit seines weiblichen Gegenübers. Undurchsichtig, wer sie nun tatsächlich ist, ob die examinierte Juristin, die angebliche Nutte, die er nach Haus geschleppt hat für einen Stundenlohn von 500 Euro, die Journalistin, die für ihr Magazin "Magalie" eine Rubrik über die Untreue des verheirateten Mannes veröffentlichen möchte oder die Nageldesignerin, die als Treuetesterin im Auftrag der gehörnten Gattin fungiert.
Dem leicht in Wortschwallen untergehenden Pierre steht eine wortgewaltige, raffinierte junge Frau gegenüber. Mit psychologischen Kniffen jedweder Art packt sie den Herrn beim Schopfe, zerrt ihn symbolisch auf den Bühnenbrettern hin und her. Sein überhöhter Alkoholkonsum verhindert die klare Sicht auf den realen Verlauf des Abends und der an Erotik einbüßenden Lage der beiden. Es "passiert" rein gar nichts, wie sich später herausstellt.
Juliette gaukelt Pierre am Ende vor, sein nebulöser Geisteszustand habe verhindert, dass der Sexualakt zum Erfolg geführt habe. Er selbst habe es als Sportreportage kommentiert, habe allerdings Ladehemmungen gehabt, den Elfmeter verschossen und somit das niederschmetternde Gefühl eines blamierten Versagers auferlegt bekommen.
Das witzig charmante Wortgefecht in nüchtern grauer Atmosphäre stellt deutliches Machtgehabe des Mannes heraus, lässt ihn mal die Oberhand gewinnen, um dann wieder rasant in der sinnreichen "Wort-Achterbahn" von Susanne Schäfers Spitzfindigkeiten zu zerfließen.
Ein an Mimik, Gestik und Brisanz geladenes Stück, eine Komödie, die inhaltlich den vielen Besuchern im Bürgerhaus enormen Spaß bereitete, die unerwartet sentimental endet: Juliette ist auf der langen Suche nach ihrem Vater, der die Mutter während der Schwangerschaft mit ihr sitzen ließ, endlich fündig geworden. Die finalen Sekunden sind gefühlvoll. Vater und Tochter fallen sich in die Arme, sie hat nun endlich einen Papa, mit dem sie Achterbahn fahren kann und alle erotischen Anwandlungen, alle Unklarheiten über Juliettes Identität sind wie weggeblasen. Nur eines zählt schließlich: Gott sei Dank, sie haben sich.
Ein munterer, kurzweiliger Theatergenuss ist der Kulturgemeinde Bad Berleburg auch dieses Mal wieder mit Bravour gelungen.