Der Schein trügt
Ein Charmeur in den besten Jahren lädt eine weibliche Barbekanntschaft - deutlich jünger als er - auf einen letzten Drink zu sich in die noble Wohnung ein. Und dort spult der Verführer mit den grauen Schläfen das klassische Programm ab, um die Schöne ins Bett zu bekommen. Tausendmal gesehen!

Am Morgen danach: Verkatert und mit Filmriss ist Pierre (Peter Bongartz) sichtlich verstört über Juliette (Susanne Schäfer) im Bademantel seiner Frau. Foto: LaRocca

Harburg. Doch diesmal ist alles anders. Mit hinreißendem Wortwitz spielt der französische Autor Eric Assous in seiner Komödie "Achterbahn" mit den Klischees des menschlichen Verhaltens und vor allem mit der Erwartungshaltung des Publikums. Denn nichts ist, wie es scheint. Dieses vergnügliche Katz-und-Maus-Spiel wurde bei der Premiere am Harburger Theater von den Zuschauern begeistert angenommen. Ein Volltreffer am Ende der Saison!

In erster Linie ist dies das Verdienst der beiden grandiosen Schauspieler, die wohl jeder im Helms-Saal bereits im Fernsehen bewundern durfte. Mit lakonischem Charme spielt Peter Bongartz den jovialen Gockel, der nach und nach vom Sockel gestoßen wird. Mit bestechender Mimik zeigt er einen alternden Möchtegern-Liebhaber, der mit grenzenloser Verstörung erkennen muss, dass ihm allmählich die Felle davonschwimmen. Hier wir ein Macho demontiert.

Seinen Gegenpart spielt Susanne Schäfer als unergründliche Frau mit den vielen Gesichtern. Zu Beginn ist sie die Schüchterne, die sich krampfhaft am Wodkaglas festhält. Mit scheinbar naiven Fragen hat sie Pierre bald so weit, dass er ihr zähneknirschend gesteht, verheiratet zu sein: "Ich bin als Ehemann noch im Amt." Doch man ist ja zivilisiert, was spricht gegen eine kleine Affäre, während Frau und Sohn im Skiurlaub weilen. Doch dass Juliette - ihren Namen verrät sie immerhin - plötzlich Dekolleté zeigt und 500 Euro für die Nacht verlangt, verschlägt Pierre den Atem. "Bist du etwa eine . . ." - nicht einmal das Wort vermag er auszusprechen, so sehr ist er in seinem Ego verletzt. "Sehe ich aus wie ein Kunde?"

Doch die Rolle der Prostituierten ist nur eine von fünf Figuren, die Susanne Schäfer mit allen Nuancen spielt. Doch wer ist sie wirklich? Nicht nur Pierre, auch das Publikum erlebt ein Wechselbad der Gefühle. Die eher nachdenklichen Szenen zu Beginn über das Verhalten von Mann und Frau weichen nach der Pause purem Boulevard. Wer hier keine Lachtränen vergießt, ist selbst schuld.

Bis zum verblüffenden Ende mit zugegeben leicht sentimentalem Touch reißt der Spannungsbogen nicht ab, schwungvoll inszeniert von Michael Wedekind. Eine Achterbahnfahrt für zwei wundervolle Schauspieler! Hingehen!

Von  Jan-Barra Hentschel

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