Erotische Wechselduschen

Nördlingen - Wechselduschen werden gelegentlich von Ärzten verordnet: Im regelmäßigen Takt lässt man die Wassertemperatur zwischen heiß und kalt pendeln, was sich auf den Kreislauf belebend und anregend auswirkt ... wenn man die Intervalle selbst vorgibt. Dreht jedoch ein anderer an den Hähnen und treffen einen die Temperaturschwankungen unvorbereitet, ist man zumindest irritiert, erschrickt im Regelfall ordentlich, schlimmstenfalls stellt sich eine Art Schockwirkung ein.
So ähnlich jedenfalls ergeht es der männlichen Hauptperson Pierre in der Komödie „Achterbahn“ von Eric Assous, die im Nördlinger Stadtsaal Klösterle vom Tourneetheater „Komödie im Bayerischen Hof“ aufgeführt wurde. Nur dass die weibliche Darstellerin Juliette in diesem Zwei-Personen-Stück nicht an richtigen Duschköpfen dreht, sondern erotische und emotionale Wechselduschen verabreicht.

Alles scheint vorgezeichnet

Dabei beginnt alles recht harmonisch: Juliette, attraktive Enddreißigerin und Pierre, der zwar ergraute, aber vitale Geschäftsmann, lernen sich in einer Bar kennen. Man unterhält sich, ist sich sympathisch, trotz des deutlichen Altersunterschieds reizt beide offenbar die Aussicht auf ein amouröses Abenteuer. So landet das Pärchen auf ein „letztes Glas“ in seinem Apartment, der weitere Verlauf des Abends scheint vorgezeichnet. Doch schon während des verbalen Vorspiels zieht sich Juliette zurück. Als sich zudem herausstellt, dass der Verführer ein „Ehemann im Amt“ ist, gibt sie die vom Gewissen Geplagte. Leicht irritiert, aber mit Eloquenz und Charme meistert Pierre die Situation, doch erneut wartet die Herzensdame mit einer Überraschung auf: Angeblich ist sie eine Edel-Prostituierte und fordert nun Geld für ihre Liebesdienste.

Rasch wird klar, wer nun die Regie übernommen hat, und dass die neue Wendung noch nicht den Schlusspunkt darstellt. Für den überrumpelten Pierre beginnt nun eine wilde Fahrt auf der „Achterbahn“, eine Art „Hase-und-Igel-Spiel“. Immer wenn er sich mit einer Situation arrangiert hat, erwartet ihn die nächste Katastrophe. Ein „Filmriss“ erschwert sein Urteilsvermögen zusätzlich.

Derweil hüpft Juliette munter von Rolle zu Rolle, wird zur Journalistin eines Männermagazins und zur Freundin der Ehefrau in Funktion als Privatdetektivin, um sich schließlich als uneheliche Tochter des am Ende bemitleidenswerten Pierre zu outen.

Ständig neue Perspektiven

Die von Michael Wedekind inszenierte Aufführung besitzt alle Attribute einer gelungenen Komödie: Eine interessante Handlung mit ständig wechselnden Perspektiven, spritzige und pointierte Dialoge und aberwitzige Szenen wie der nachgestellte Tonbandmitschnitt. Natürlich lebt ein Zwei-Personen-Stück mehr als jedes andere von der Qualität seiner Darsteller, und hier sind beide Rollen herausragend besetzt. Peter Bongartz überzeugt als weltläufiger Charmeur alter Schule, beredsam und gewinnend, später als staunender Passagier auf emotionaler Berg- und Talfahrt.

Susanne Schäfer setzt ihre Rollenvielfalt äußerst elegant um, pendelt gekonnt zwischen reservierter Bedenkenträgerin, kühler Journalistin und aufreizender Verführerin, die ihrem vermeintlichen Lover lediglich eine „Vier minus, knapp ausreichend - aber Potenzial vorhanden“ bescheinigt. Die rund 450 Besucher im Klösterle waren am Ende begeistert von diesem Highlight im Kulturprogramm der Stadt Nördlingen, diese „Achterbahn“-Fahrt hat allen Spaß gemacht. Auch oder gerade weil man laufend seine Gedanken neu sortieren musste, wie der verdatterte Pierre, dem zum guten Schluss nicht einmal der echte Rummelplatz erspart bleibt.

Augsburger Allgemeine, 02.02.2010

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