Will sie nun oder will sie nicht?

Von Marc Uthmann

Versmold. 90 Minuten die Bühne zu beherrschen, die eigene Präsenz in den Saal zu tragen und beim Publikum Emotionen zu wecken, erfordert großes schauspielerisches Format. Vor allem, wenn man ein Stück nur zu zweit bestreitet und dann auch noch die großen moralischen Fragen zur Beziehung zwischen Mann und Frau thematisieren soll. Humorig natürlich, stellenweise selbstredend mit dem gebotenen Tiefgang. Nicht weniger verlangte das Stück »Achterbahn« am Mittwochabend von Susanne Schäfer und Peter Bongartz. Die von der Münchener Tournee engagierten Schauspiel-Profis meisterten die Aufgabe in der Hauptschulaula - leicht war das nicht.

Die Kulisse für die grundsätzlichen Fragen hatte Autor Eric Assous (Michael Wedekind führte Regie für diese deutsche Fassung der Komödie) simpel gewählt, das Szenario klingt klassisch. Er - würdevoll ergraut, als Unternehmer erfolgreich, sehr von sich überzeugt und mit der aufziehenden Angst vor dem Alter im Nacken. Peter Bongartz verstand es hervorragend, diesen leicht prahlerischen Eroberer zu geben, dem es gelingt, eine junge Frau nach einigen gemeinsamen Drinks in seine Wohnung zu locken. Er ist sich seiner Sache sicher - erst recht, weil er nun ja ein Heimspiel hat, denn Frau und Sohn sind im Urlaub. "Alles, was an der Überzeugung nagt, ist out", phrasiert er blasiert daher.
Doch sie - sie nagt, und zwar hartnäckig. Gibt sich schüchtern und fragt umso frecher, erschüttert nach und nach sein Selbstbewusstsein. Dauernde Missverständnisse, ständige Rückfragen, kurz: eine unglaublich zähe Konversation mit geschickt eingestreuten Spitzen entwickelt sich.
Die beiden Darsteller lassen das Publikum spüren, dass etwas in der Luft liegt. Und immer wenn die Dialoge, in denen er sich für seinen »Abschlepp-Versuch« rechtfertigen muss, etwas zu langatmig und aufgeladen zu werden drohen, werden sie durch ein Sketchelement aufgelöst. "Ihre Frau schaut uns zu", sagt sie mit Blick auf ein Foto, als er ihr auf dem Sofa auf die Pelle rücken will. "Die wird nichts sagen", pariert der Eroberer so lässig wie ungeduldig.
Doch dann nimmt die Achterbahn Fahrt auf und sie endgültig die Regie. Vielseitig wechselt Susanne Schäfer plötzlich vom Tugend- ins Lasterhafte, gibt sich als Edelprostituierte und fordert 500 Euro für die anstehende Nacht. Nun bekommt der moralische Schlagabtausch eine neue Komponente - Peter Bongartz überzeugt in der Rolle des in seiner Eitelkeit verletzten alternden Charmeurs. Noch nie habe er für so etwas bezahlen müssen - und nun muss er knallhart verwandeln und fragt schließlich herrlich verzweifelt: "Können Sie nicht so tun, als wäre das Ihr freier Tag?"

Der Dialog wandelt stets haarscharf an der Grenze zum Klischee, vor allem mit der nächsten Wendung, als sich die vermeintliche Edelnutte als Enthüllungsjournalistin eines Frauenmagazins outet. Nun gibt sich der in der Eitelkeit gekränkte Bongartz erst ertappt - und dann wütend. Es ist die Pause, die das Stück und auch die Schauspieler rettet, ehe es der Wendungen und der moralisierenden Konversation doch zu viel wird.
Als der Vorhang sich wieder öffnet - ein neuer Tag hat begonnen - ist alles anders. Nur weitere Wendungen können die Darsteller ihren Zuschauern nicht ersparen. Um es vorwegzunehmen: Sie behauptet erst, ihn im Auftrag seiner Frau auf Treue getestet und erfolgreich verführt zu haben. Schließlich wollen die beiden Verkaterten ein vermeintliches Gespräch in der Bar aufzeichnen, das ihn von jeder Schuld reinwäscht.
Erst jetzt - vom Druck des vermeintlichen Tiefgangs befreit - entfaltet sich eine lockere Komödie, werden zahlreich sprachliche Facetten und spritziger Wortwitz von den beiden Profis perfekt betont. Gefühlte zehn Mal steckt sie sich eine imaginäre Zigarette an und bläst unsichtbaren Rauch in die Luft, um ein fingiertes Gespräch in Gang zu bringen, das natürlich nicht funktioniert. "Ich bin nicht ekelhaft, ich bin treu", rechtfertigt sich der um Ehrenrettung bemühte Ehemann für seine schroffen Ein-Wort-Aussagen.
Ausgerechnet die letzte Wendung bedeutet den wundervollsten Moment des Stücks - als sie ihm offenbart, seine lange verdrängte Tochter zu sein. Kurz wird das Stück in diesen von beiden gefühlvoll betonten Szenen auch seinem moralischen Anspruch gerecht - diese Atmosphäre im ausverkauften Haus kann auch ein kitschiger Schlussakkord mit Umarmung nicht mehr zerstören.

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